Wer kennt das nicht! Eine wichtige Aufgabe oder Entscheidung steht an und was machst du? Du räumst erst mal die Wohnung auf, die Waschmaschine ein, dann gehst du vielleicht noch einkaufen weil das ja jetzt sein muss, danach trinkst du erst einmal in Ruhe einen Kaffee, räumst deinen Schreibtisch auf, checkst noch schnell E-Mails, dann telefonierst du noch hier und da, surfst in den Netzwerken um zu schauen was es Neues gibt, dann muss noch Essen gemacht werden weil sich dein Magen meldet, eventuell müssen noch Kinder versorgt werden, erledigst dies, erledigst jenes, nur nicht das, was du eigentlich gern erledigt hättest. Vielleicht schaffst du es, die Aufgabe bzw. die Entscheidung auf die To-do-Liste für den morgigen Tag zu setzen. Geschafft.

Manchmal gehen wir Tage, Wochen und auch Monate mit einem Gepäck an unerledigten Aufgaben und Entscheidungen umher. Die Folge: Anspannung und Stress, denn das Gewicht der unerledigten Aufgaben wird schwerer und damit steigt automatisch auch der Druck in uns. Auch gedanklich verschwinden diese Gefühle nicht, denn wir wissen ja, dass da noch ein hoher Berg mit Aufgaben auf uns wartet. Tage, Wochen, manchmal Monate. Das Paradoxe ist: Wir ziehen es vor, uns tage- oder wochenlang im Kopf mit all dem Unerledigten zu beschäftigten, statt uns für einen Moment in der Realität hinzusetzen und es zu tun. Im Ergebnis bearbeiten wir die Aufgaben viel länger als notwendig. Aufschieberitis verschwendet mehr Energie und Zeit als alles andere.

Und dann noch diese tausenden Ratgeberbücher, -zeitungen, Ratschläge von anderen zum Thema Selbstmanagement.

Mach es sofort. Wenn du es jetzt nicht tust, dann tust du es nie! Und so weiter und sofort. Klar, da ist was dran, denn aus den Augen aus dem Sinn.

Nur, ist das immer so einfach? Und warum dann überhaupt die Aufschieberitis?

Das kuriose ist, es sind nicht immer nur die schwierigsten oder unangenehmsten Aufgaben und Entscheidungen, die man vor sich herschiebt.

Sondern jede Entscheidung bedeutet auch Ungewissheit. Soll ich oder soll ich nicht? Das heißt, bevor etwas Neues beginnen kann bzw. du dich für etwas Neues entscheidest, muss du etwas Altes verlassen, dich davon trennen, dich verabschieden. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer.

Denn nicht selten, sind mit diesen Prozessen auch immer Ängste mit verbunden. Die oft größte Angst ist die vor Veränderungen selbst, der Angst vor Verlusten, der Angst davor, vor Kritik sich z.B. unbeliebt zu machen oder abgelehnt zu werden und der Angst davor, Risiken in Kauf zu nehmen.

Jeder Mensch hat seine persönliche Komfortzone. Sie ist ein unsichtbarer Käfig und die Wächter sind: Gewohnheiten, Ängste und einschränkende Glaubenssätze. Wir fühlen uns sicher in der Komfortzone. Hier befinden wir uns im altbekannten Terrain. Sobald wir diese jedoch verlassen, kommt erstmal Stress auf. Automatisch reagiert unser Unterbewusstsein mit einer Rückzugsstrategie.

Die sogenannten „inneren Antreiber“, steuern uns. Jeder von uns hat diese inneren Persönlichkeitsanteile die auch bei jedem, unterschiedlich sein stark oder weniger stark ausgeprägt sein können. Die stark ausgeprägten sind es dann oft, die uns daran hindern, die Dinge in die Hand zu nehmen. Hier zum Thema Aufschieberitis mal drei Beispiele, die jeder von uns mehr oder weniger kennt.

Der erste innere Antreiber ist der Elan

  • Fängt viele Dinge schnell und mit großer Energie an
  • Vieles wird gleichzeitig erledigt
  • Ist schnell abgelenkt
  • Stets auf der Suche nach neuen Reizen
  • Verliert damit das Ziel aus dem Auge
  • Setzt keine Prioritäten
  • Kann sich nur schwer auf eine Sache konzentrieren
  • Fehlendes Durchhaltevermögen

Der zweite innere Antreiber ist der Perfektionismus

  • Ist sehr ehrgeizig
  • Setzt die Messlatte sehr hoch
  • Hohe Erwartungshaltung
  • Steckt viel Zeit und Sorgfalt in die Planung
  • Mangelnde Zufriedenheit über Zielerreichung
  • Findet nur schwer den Anfang, niemals bereit, da stets in Vorbereitung
  • Kleinste Fehler und Abweichungen führen zur Unzufriedenheit
  • Mangelnde Fehlertoleranz
  • Nimmt Erfolge nicht wahr
  • Zeigt wenig Flexibilität

Der dritte innere Antreiber ist die Angst

  • Fehlender Glaube an eigenen Erfolg und Fähigkeiten
  • Hat Angst vor Risiken und Fehlschlägen
  • Selbstkritisch
  • Schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl
  • Legt auf die Meinungen anderer großen Wert
  • Orientiert sich an anderen, passt sich an
  • Entscheidet kaum selbstständig

Teilweise vermischen sich auch einige miteinander oder gar alle. Welcher dieser Antreiber, hat sich also bei dir eingenistet?

Wenn du also die eigentlich guten Motivatoren hörst, wie tue es jetzt, tue es sofort, dann prallen diese einfach ab durch die inneren Antreiber. Je stärker der Einfluss, umso widerspenstiger werden sie.

Leider bist du es selbst, der diese inneren Antreiber mit deinen Glaubenssätzen, deinen Überzeugungen, deine Sichtweise über die Welt jahrelang gefüttert hast. Deshalb kannst du sie nicht so ohne weiteres jetzt einfach loswerden und abschütteln.

Erst wenn du dich ernsthaft mit ihnen auseinandersetzt, dich ihrer erst einmal bewusst wirst, ihnen zuhörst indem du ihnen Aufmerksamkeit gibst, sie annimmst und wertschätzt, kannst du dann auch liebevoll zu Lösungen kommen, die dein System verstehen und umsetzen wird.

 

Wie kannst du nun konkrete Lösungen umsetzen?

Schritt 1:

Zunächst einmal gestehe dir ein, dass du unter Aufschieberitis leidest. Einsicht kann den nächsten Schritt einleiten zum Besseren. Dann formuliere klar und motiviert dein Ziel wie z.B. „Ich nehme meine Aufschieberitis jetzt ernst und tue aktiv etwas.“ Oder aber: „Jetzt nehme ich meine Aufschieberitis in die Hand.“

Schritt 2: 

Werde dir über den Grund klar, warum die inneren Antreiber dich vom eigentlichen abhalten wollen. Es steckt keine böse Absicht dahinter, sondern weil es dich schützen will. Du hast dir in deiner früheren Kindheit eine Überlebensstrategie und Abwehrmechanismen geschaffen, um den Forderungen und Erwartungen der Eltern, Verwandten, anderen Bezugspersonen und der Gesellschaft irgendwie gerecht werden zu können. Die Kindheit hast du längst verlassen, aber die alten Strategien und Mechanismen steuern dich heute immer noch unbewusst. Und gerade immer dann, wenn du in Belastungssituationen oder Stress gerätst, wendest du diese unbewussten Verhaltensmuster an.

Schritt 3: 

Setze dich nun mit den Details auseinander.

  1. Welcher Antreiber ist vorhanden?

Sind es mehrere benenne sie.

  1. Was sagt er/sie?

Etwa: „Mach es richtig!“ „Mach keine Fehler!“ „Mach es allen recht!“ „Beeil dich!“ „Sei gefällig!“ „Pass auf!“ „Sei vorsichtig!“ Schreibe es auf.

  1. Woran glauben deine Antreiber?

Etwa: „Ich muss es noch besser machen, es muss perfekt sein.“ Oder: „Ich muss schnell damit fertig werden.“ Oder: „Bevor du versagst, lass es lieber.“

  1. Was spricht für diese Haltung?

Vielleicht ist es der Wunsch nach Perfektion, Genauigkeit oder ein starkes Zielbewusstsein.

  1. Was spricht gegen diese Haltung?

Etwa die Überzeugung, nicht zu genügen oder wertvoll zu sein, oder der Glaube, dass nur harte Arbeit belohnt wird oder bevor du versagst, lass es lieber sein.

  1. Wofür steht es, was will es genau?

Welches Bedürfnis steckt hinter dem Verhalten? Was gibt es dir? Vielleicht z.B. Sicherheit oder Bewunderung und Anerkennung?

Nimm dir ausreichend Zeit dich mit diesen Schritten auseinander zu setzen und schreibe dir alles was du bemerkst und was dir dazu einfällt auf. Bei geschriebenem sieht man dann oft noch Nuancen die man vorher gar nicht berücksichtigt hat.

Wenn du nun mal genauer hinschaust. Welche Gefühle löst es in dir aus?

Schritt 4: 

Überprüfe jetzt als Erwachsener, ob deine Überlebensstrategie noch aktuell ist. Du hast dich seit deiner Kindheit verändert und die Welt sich mit dir. Das heißt, deine alten Konzepte stimmen vermutlich nicht mehr. Und genau das, darfst du jetzt lernen um eine neue Balance zu schaffen.

Schritt 5: 

Kreire dir einen neuen positiven und motivierenden Glaubenssatz. Wie z.B.:

„Gut ist gut genug.“

„Ich bin wertvoll und liebenswert.“

„Meine Bedürfnisse und Wünsche sind wichtig.“

„Ich muss nicht allen gefallen.“

„Ich darf ‚nein‘ sagen.“

„Ich darf Pausen machen.“

„In der Ruhe liegt die Kraft.“

Schreibe dir diesen Glaubenssatz auf oder verankere ihn in dir.

Schritt 6: 

Da du nun neue Glaubenssätze für dich geschaffen hast, integriere sie in dein Leben, deinen Alltag. Das heißt, integriere und manifestiere sie ganz fest in dir.

Wenn du wieder mal spürst, dass du Entscheidungen vor dir herschiebst, sei dir dessen bewusst und bring deinen neuen Glaubenssatz zum Vorschein. Sage dir vielleicht es ist bereits gut so wie es ist. Ich muss nicht jedem gefallen.

Schritt 7:

Belohne dich für diese Arbeit, indem du dich feierst. Somit feierst du die Wertschätzung die du dir selbst gibst.